Dieses Bild habe ich nach meiner Rückfahrt aus Lissabon im Winter 2022 gemalt. Raus aus meiner Komfortzone der Reduktion von Form und Farbe, rein in die fühlende Lebendigkeit meiner inneren Farben. Am Anfang war es mir etwas fremd, aber je länger ich es anschaue, desto mehr sehe ich meinen momentanen Seelenausdruck darin. Es sind Gegensätze, die miteinander sprechen möchten. Farben, die im ersten Moment nicht ganz zueinander passen und im zweiten Moment durch Zusammenfließen sich anpassen. Formen, die bereit sind, sich aufeinander einzustimmen. Es ist die Sehnsucht, in Verbindung zu gehen mit mir, den Menschen und der göttlichen Schöpfung.
Der vorherige Satz kam eben gerade so intuitiv aus meinen Fingern beim Schreiben. Wenn ich intuitiv aus meinem Herzen kreativ bin - in Gott ruhe - dann antwortet er mir. Eben gerade in magischer Synchronizität. Ich schrieb gerade die Worte “aus meinen Fingern beim Schreiben”, da klingelte es an meiner Tür und ein Buch kam an, was ich bestellt habe: Vincent van Gogh - Briefe. Ich schaute auf die Rückseite und las einen Satz von ihm an seinen Bruder Theo: Weißt du wohl, daß mit Worten zeichnen auch eine Kunst ist, die zuweilen eine verborgen Kraft verrät - ebenso wie das blaue oder graue Rauchwölkchen das Feuer im Herd verrät?”
Ich war still berührt und bin es immer noch. Van Gogh malte nicht nur mit Farben, er malte auch mit Worten. Mein Text “Evolution des Schönen” ist auch inspiriert von einem seiner Zitate. Während meines Lebens frage ich mich, warum Vincent van Gogh so einen Raum einnimmt in meinem Leben. Warum habe ich als Kind stundenlang seine Bilder in der Bücherei angeschaut und hatte das Gefühl, dass ich sie gemalt habe? Warum habe ich geweint, als ich seine Dokumentation “Loving Vincent” angeschaut habe, obwohl ich zuvor jahrelang nicht geweint habe? Warum fühle ich mich zu Hause, wenn ich an ihn denke?
Ich erinnere mich jetzt. Das Wesen, was in Vincent wohnte, ist wieder gekommen. Er liebt nicht weniger, wie zu seiner Zeit. Er liebt Menschen, Malerei und das Schreiben. Wie zu seiner Zeit ist Jesus seine Inspiration und er fühlt sich im Haus Gottes wohl. Wie zu seiner Zeit spielen die Geschwister der sanften Melancholie und subtiler Dramaturgie in seiner Kunst unter Obhut des Vaters der Unmittelbarkeit. Der Hang zur ungesunden Bipolarität und exzessivem Verhalten wurde mitgenommen und darf sich jetzt auf ein gesundes Maß einpendeln. Die letzten Tage vor seinem Tod in Einsamkeit hat er sein Herz verschlossen, seinen ureigensten Ausdruck gebremst und reduziert. Nur eine verborgene Kraft geht nicht verloren, nur weil sie verborgen ist. Sie verrät sich, wenn das Herz sich wieder öffnet - ebenso wie das blaue oder graue Rauchwölkchen das Feuer im Herd verrät.
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